Jüdisches Leben in Wetzlar
in der Neuzeit

Neuzeitliche jüdische Gemeinde ab dem 17. Jahrhundert

Die Entstehung der neuzeitlichen Gemeinde geht auf das 17. Jahrhundert zurück. In der Zeit des Dreißigjährigen Krieges nahm die Zahl der jüdischen Einwohner von etwa 30 auf 60 zu. Die jüdischen Haushaltsvorsteher waren als Kaufleute und Händler tätig. Mitte des 18. Jahrhunderts wohnten etwa 100 jüdische Personen in der Stadt.

Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner wie folgt:

Jahr Jüdische
Einwohner
Anteil an
Bevölkerung

Einwohner
insgesamt

1810 91 2,13 % 4.278
1871 147 2,38 % 6.172
1880 210 2,83 % 7.428
1895 173 2,07 % 8.350
1910 181 1,35 % 13.389
1933 132 0,76 % 17.392

Quelle: Alemannia Judaica

Einrichtungen der jüdischen Gemeinde

An Einrichtungen bestanden eine Synagoge (s.u.), eine Elementar- und Religionsschule, ein rituelles Bad (Mikwe) und ein Friedhof. Die älteste Wetzlarer Mikwe lag vermutlich in der unteren Altstadt am Hertebau/Eselsberg, ab 1755/56 in der Pfannenstielsgasse im Bereich der Synagoge. Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war ein Lehrer angestellt, der zugleich als Vorbeter und Schochet tätig war (siehe Ausschreibungen der Stelle unten); zeitweise waren diese Aufgaben auch auf zwei Personen verteilt.

Als Lehrer werden insbesondere genannt:

  • 1851 bis 1876: Herz Heymann
  • ca. 1878 bis ca. 1905: D. Regensburger
  • 1905 bis 1933 Josef Katzenstein.

Die Gemeinde gehörte Anfang des 19. Jahrhunderts zum Rabbinat in Frankfurt am Main, danach zum Rabbinat Friedberg. 1838 gehörte Wetzlar zum Konsistorium in Bonn. Spätestens um 1915 wurde Wetzlar mit den Gemeinden des Kreises dem Provinzialrabbinat in Marburg unterstellt.

Zeichnung von der Synagoge in der Pfannenstielsgasse

Zeichnung von der Synagoge in der Pfannenstielsgasse

Gedenktafel Synagoge Wetzlar

Heutige Gedenktafel in der Pfannenstielsgasse

Vor dem Holocaust
Fotos zum jüdischen Alltagsleben in Wetzlar

Es gibt eine Bildersammlung, aus der man u.a. Bilder jüdischen Lebens in Wetzlar und anderen Orten des heutigen Lahn-Dill-Kreises herausfiltern kann. Eine Internetseite, die auf eine Bildersammlung des Fritz Bauer Instituts (Frankfurt am Main) zurückgreift:

Wirtschaftlicher Boykott • Entrechtung • Repressalien
ab 1933

1933 lebten noch 132 jüdische Personen in der Stadt (0,7 % von 17.392 Einw.). In den folgenden Jahren ist ein Teil der jüdischen Gemeindeglieder auf Grund der Folgen des wirtschaftlichen Boykotts, der zunehmenden Entrechtung und der Repressalien weggezogen, beziehungsweise ausgewandert. Beim Novemberpogrom 1938 wurde die Synagoge geschändet und ihre Inneneinrichtung zerstört.

Der jüdische Friedhof an der Bergstraße wurde geschändet. 1938 gab es noch 64 jüdische Einwohner in Wetzlar. 1942/1943 wurden die letzten 43 hier noch lebenden Juden deportiert und fast alle ermordet.

Synagoge als GetränkelagerSynagoge am 9. November 1938 geschändet und dann als Getränkelager missbraucht

Demolierter Kronleuchter in der Synagoge

Zerstörter Kronleuchter. Im Hintergrund die mit Brettern abgedichteten zerstörten Fenster. Am unteren Rand sind die Getränkekisten der Fa. Waldschmidt zu sehen © Alemania Judaica

Ermordung während des Faschismus